Es muss nicht immer Reiten sein

Immer noch ist es verbreitete Meinung, ein Pferd müsse jeden Tag, zumindest 6 von 7 Tagen geritten werden. Die Grundidee, seinem Pferd Bewegung zu verschaffen, zumal viele Pferde davon immer noch zu wenig bekommen, ist ja nicht schlecht. Aber muss es immer unter dem Sattel sein?

In jedem Tanzkurs werden neue Schritte von den Partnern getrennt geübt, bevor sich das Paar gemeinsam daran versucht. Warum überträgt man dies nicht viel öfter auf das Pferd-Reiter-Paar? Steht ein jeder auf seinen eigenen Füßen, ist es oft viel leichter, dieselbigen zu koordinieren und sein Gleichgewicht zu finden und zu halten. 
Die Boden-Position bietet zudem eine hervorragende Rundum-Sicht und umfassende Berührungsmöglichkeiten des Pferdes, um es im Erlernen neuer Bewegungen unterstützen, ohne es aus dem Gleichgewicht zu bringen oder zu stören. 
Und was mir persönlich am meisten an dieser Perspektive gefällt: Ich sehe mein Pferd. Ich sehe sein Gesicht und seine Augen. Ich sehe, wie es sich freut und stolz ist, wenn es etwas verstanden hat und gut gemacht hat. Ich sehe aber auch, wenn ich zu viel wollte, zu ungeduldig oder uneindeutig bin. 
So halte ich die Bodenarbeit für ein wunderbares Mittel, eine gute Zeit mit seinem Pferd zu verbringen, ihm neue Bewegungen beizubringen, es in seiner Koordination und seinem Körpergefühl zu schulen, ohne es durch zusätzliches Gewicht oder eine noch nicht perfekte Eigenbalance zu stören. 

An manchen Tagen ist einem aber auch einfach nicht nach konzentrierter Arbeit. Ehe man sich dann unmotiviert aufs Pferd schwingt, könnte man auch einfach mal mit diesem Spazierengehen. Während es total normal ist, mit seinem Hund Gassi zu gehen, erntet man mit einem Pferd an der Hand regelmässig verblüffte Gesichter sowie mindestens einmal die Frage, ob das Pferd krank oder noch jung sei – anscheinend die beiden einzigen legitimen Gründe, neben statt auf dem Pferd die Landschaft zu erkunden. 
Dabei ist gemeinsames Spazierengehen toll! Das Pferd bekommt neue Eindrücke und lernt, mit ungewöhnlichen oder erschreckenden Situationen umzugehen – welche sich mit den eigenen Füssen auf dem Boden und etwas körperlicher Distanz meist viel leichter überwinden lassen. Man kann sich und sein Pferd im wahrsten Sinne des Wortes einfach mal gehen lassen, ohne an ordentliches Durchstellen oder eine perfekte Haltung denken zu müssen. Und trotzdem profitiert der Bewegungsapparat, wenn unterschiedliche, teilweise unebene Böden oder Steigungen überwunden werden müssen. Und wieder ist man auf Augenhöhe mit seinem Pferd, man sieht es und seine Emotionen, was es interessiert, abschreckt, anzieht – man lernt sich gut kennen auf solchen Spaziergängen. 

Klappt das Spazierengehen gut, kann man auch super zusammen joggen gehen. Das entlastet den Pferderücken, stärkt den Reiter und schweißt im wahrsten Sinne zusammen. 

Das sind nur drei Vorschläge für reitfreie Tage. Mit ein bisschen Kreativität und dem Willen zur Veränderung lassen sich daraus unzählig viele Möglichkeiten für ein abwechslungsreiches Training finden. 

Mehr zum Thema Reitpausen und sinnvoller Trainingsgestaltung findet Ihr hier http://www.feinehilfen.com/viele-pferde-sind-uebertrainiert/

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