Die Beugesehnen stabilisieren mit ihren Unterstützungsbändern die Fessel und ermöglichen dem Pferd als perfekt konstruierte Federn eine energiesparende und gelenkschonende Fortbewegung. Stark unterstützt werden sie dabei vom Fesselträger, der die Fessel wie ein elastischer Tragegurt umspannt und vor zu starker Überstreckung schützt.
Die Zehe
Schauen wir uns die Zehe eines Pferdes genauer an, sehen wir, dass Huf-, Kron- und Fesselgelenk in ihrer Grundstellung schon gestreckt sind. Huf- und Krongelenk in ca. 180 Grad, das Fesselgelenk sogar in ca. 140 Grad; es befindet sich also in einer Hyperextension.
Ohne ausgeklügelte Befestigung würde das Körpergewicht diese Gelenke einfach nach hinten-unten durchdrücken. Dies verhindern der Fessel-Trageapparats und die Beugesehnen mit ihren Unterstützungsbändern. Mit ihnen kann das Pferd seine Zehe stabilisieren, ohne aktiv Kraft aufwenden zu müssen – bei einem Körpergewicht von 400-700 kg einfach zu anstrengend!
Der Fesseltrageapparat
Der Fesseltrageapparat besteht – der Name ist Programm – aus dem Fesselträger und Bändern der Gleichbeine.
Der Fesselträger entspringt auf der Rückseite des Karpalgelenks aus einem starken Band, dem Lig. carpi radiutum, und läuft zwischen den beiden Griffelbeinen das Röhrbein hinunter. Über dem Fesselgelenk teil er sich in zwei Äste, die jeweils an einem Gleichbein inserieren. Die Gleichbeine sind würfelähnliche Knöchelchen, die mit starken Bändern an Fessel- und Kronbein befestigt sind. Sie stützen das Fesselgelenk von hinten und dienen der TBS als Gleitlager bei ihrem Verlauf übers Fesselgelenk.
Von den Gleichbeinen gibt der Fesselträger zwei weitere Schenkel ab, die um das Fesselbein nach vorne laufen und sich knapp oberhalb des Krongelenks mit der Strecksehne verbinden.
Damit umfasst der Fesselträger die Fessel wie ein elastischer Tragegurt. Durch seinen Zug werden die Gleichbeine von hinten gegen das Fesselgelenk gedrückt und geben zusätzlichen Halt.
Im Stand stabilisiert der Fesseltrageapparat die Fessel in ihrer Hyperextensionsstellung. in der Bewegung bremst er ihr Durchfedern und schützt sie vor zu starker Überstreckung.
Die nach vorne laufenden Schenkel des Fesselträgers bilden einen starken Hebel für diese Stabilisierung und verhindern ein Ausweichen der Zehe nach oben. Außerdem stellen sie vor dem Auffußen sicher, dass das Hufgelenk gestreckt ist.
Interessant zu wissen ist, dass der Fesselträger bei Fohlen noch überwiegend aus Muskelfasern besteht, also eigentlich ein Muskel ist. Im Wachstum wird er immer stärker mit sehnigen Fasern durchsetzt und kann seine Halte- und Stützarbeit so kraftsparend und effizient verrichten. Das erklärt die häufig starke Durchtrittigkeit und weiche Fesselung junger Pferde. Ihr Fesselträger ist noch nicht ausgereift und nur begrenzt belastbar.
Die Beugesehnen und ihre Unterstützungsbänder
Unterstützt wird der Fesselträger durch die Beugesehnen und ihre Unterstützungsbänder.
Die Beugesehnen
Die Beugesehnen sind eigentlich Muskeln, welche ihren Ursprung am Oberarm und Ellenbogen haben.
Die Oberflächliche Beugesehne (OBS) entspringt innen am Oberarm, genauso wie die Tiefe Beugesehne (TBS), welche zusätzlich am Olekranon, dem Ellenbogenhöcker, und am Unterarm, entspringt. Als Muskeln laufen sie zum Karpalgelenk hinunter, oberhalb dessen sie sehnig werden und gemeinsam durch den Karpaltunnel ziehen. Unterhalb des Karpalgelenks bilden sie das vertraute Sehnenpaket auf der Rückseite des Röhrbeins.
Mit den Gleichbeinen als Gleitlager ziehen die Sehnen über das Fesselgelenk. In der Fesselbeuge spaltet sich die OBS in zwei Schenkel, welche jeweils am Fessel- und am Kronbein inserieren. Zwischen den beiden Schenkeln läuft die TBS weiter die Zehe hinunter und zieht, unterfüttert durch einen Schleimbeutel, der Bursa podotrochlearis, über das Strahlbein, um schließlich an der Tuberositas flexoria, der halbmondförmigen Sohlenfläche des Hufbeins, zu inserieren.
Das ist übrigens die ‘Hufrolle’: der Komplex aus Bursa podotrochlearis, Strahlbein und unterem Abschnitt der TBS.
Die Unterstützungsbänder
Eine ganz wesentliche Unterstützung der Beugesehnen sind ihre Unterstützungsbänder, zwei kräftige Bänder, welche die Sehnen zusätzlich am Vorderbein, genauer am Radius (OBS) und am Lig. carpi radiatum und dem Metakarpus (TBS), befestigen.
Zusammenspiel von Beugesehnen und Unterstützungsbändern
Durch diese Bänder entstehen zwei zusätzliche sehnige Verbindungen zwischen Hufbein und Karpalgelenk/Röhrbein (TBS) sowie zwischen Kron- und Fesselbein und Radius (OBS). Im Stand helfen sie dem Fesselträger, die Zehe zu stabilisieren, in der Bewegung unterstützen sie die effiziente Fortbewegung durch den Recoil-Effekt: Kurz vor dem Abfußen werden Fessel- und Zehengelenke überstreckt und die sehnige Verbindung von Beugesehnen und ihren Unterstützungsbändern maximal gespannt. Beim Abfußen wird die gespeicherte Energie frei und das Bein ohne viel Kraftaufwand gebeugt.
Im Optimalfall müssen die Muskelbäuche der Beugesehnen so kaum aktiv arbeiten, um das Bein anzuwinkeln, sondern können sich voll und ganz auf die Stoßdämpfung und Unterstützung der Sehnen konzentrieren. Durch kleine Kontraktionen dämpfen die Muskelbäuche zu hohe Schwingungen der Sehnen und schützen Gewebe und Knochen vor schädlichen Vibrationen. Durch aktive Längenanpassung ermöglichen sie den Sehnen optimale Arbeitsbedingungen.
An der Hinterhand sind die Unterstützungsbänder übrigens anders ausgeprägt als an der Vorderhand: Das Unterstützungsband der TBS ist am Hinterbein deutlich schwächer, dass der OBS fehlt dort häufig komplett.
Achtung – Tiefer Boden!
Deshalb ist tiefer Boden auch so kritisch für die Sehnen: In tiefem, weichem Boden drehen und bewegen sich die Hufe in der Stützbeinphase, d.h. einerseits werden die Sehnen gar nicht richtig vorgespannt wie auf festem Boden, andererseits müssen die Muskeln aktiv arbeiten, um die Zehe in dem weichen Grund zu stabilisieren. Dadurch verpufft ein großer Teil der Bewegungsenergie im Boden. Die Sehnen können nicht vorwärts federn und ihre Muskelbäuche müssen – zusätzlich zur Stabilisationsarbeit! – aktiv arbeiten, um das Bein zu beugen. Das macht schnell müde und für die Stoßdämpfung bleibt auch kaum Energie. Es geht dem Pferd dann so, wie uns nach einem Strandspaziergang im Sand: Wir haben richtigen Muskelkater in den Füßen.
Fazit
Ich hoffe, dass Ihr die Sehnen Eures Pferdes jetzt mit anderen Augen seht, als das was sie sind: ein Wunder. Und sie hegt und pflegt, damit Euer Pferd sich in seiner vollen Schönheit bewegen kann.
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Quellen: