Wie erkenne ich einen Leber-Blut-Mangel?
Gerade bei älteren oder ehemals sehr beanspruchten Pferden könnt Ihr dieses Muster häufig beobachten.
Solche Pferde wirken immer etwas staubig und grau, auch wenn sie frisch geputzt und gewaschen sind. Ihr Fell ist fein, bricht leicht und wirkt stumpf und irgendwie farblos. Auch die Haut ist eher trocken, oft schuppig und wirkt etwas zerknittert.
Die Hufe sind glanzlos, spröde und neigen zu Rissen und Ausbröckeln.
Oft besteht eine Neigung zu verkürzten und verkrampften Sehnen oder Sehnenproblemen vom chronischen, latenten Typ. Für eine akute, spektakuläre Entzündung hat der Körper gar keine Kraft.
Wie die Haut fühlen sich auch die Faszien eher trocken, matt und verklebt an. Dem ganzen Körper und seinen Bewegungen fehlen Elastizität und Spannkraft. Entsprechend bewegen sie sich eher verhalten, hart und etwas schleppend.
Im Verhalten sind solche Pferd meist in sich gekehrt, wirken müde und auf sich bezogen.
Wenn man in Kontakt mit ihnen tritt, tolerieren sie es, freuen sich aber nicht. Oft zeigen sie Abwehr, sind leicht grantig, mögen nicht berührt werden und wollen ihre Ruhe.
Und nun – besser füttern?
Besser und reichhaltiger füttern denkt man jetzt sofort – und probiert sich durch die bunte Welt der Zusatzmittel. Meist leider mit nur mäßigem Erfolg. Denn bei diesem Muster ist die äußere Versorgung des Körpers mit Nährstoffen nur ein Teil des Problems. Der andere Teil ist das Unvermögen der Leber, dem Körper die aufgenommenen Nährstoffe in passender Art und Weise zur Verfügung zu stellen. Auch die von ihr gesteuerte Produktion und Aktivierung von Enzymen und Hormonen funktioniert nicht so, wie sie der Körper für sein reibungsloses Funktionieren benötigt.
Die Nährstoffe kommen zwar im Körper an, aber ihre Aufbereitung und ihr zielgerechter Einsatz durch die Leber funktionieren nicht richtig.
Aber ist für die Nährstoffversorgung nicht der Magen-Darm-Trakt zuständig?
Das stimmt, im Darm wird das Futter so zerlegt und bearbeitet, dass die enthaltenen Nährstoffe ins Blut aufgenommen und von diesem transportiert werden können.
Damit sie aber den Körperzellen als Energielieferant und Baumaterial dienen können – dafür braucht es die Leber!
Erst in der Leber werden die aufgenommenen Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate so aufbereitet, dass die Körperzellen sie verwerten können. Bspw. werden die Fettsäuren, die mithilfe der Darmbakterien aus der Zellulose-Verarbeitung gewonnen werden, in der Leber so aufbereitet, dass die Zellen auch tatsächlich Energie aus ihnen gewinnen können.
Ähnliches gilt für Aminosäuren, den Grundbausteinen unseres Körpers. Aus ihnen sind die Proteine zusammengesetzt, welche bspw. als Kollagen für elastische und starke Sehnen, Bänder und Faszien oder als Keratin für feste Hufe und Fell sorgen. Die Leber ‚sammelt‘ die aus den Nahrungsproteinen und die im Körper durch Abbauprozesse entstehenden Aminosäuren und recycelt sie zu den gerade benötigten Säuretypen. Einige Proteine baut die Leber auch direkt selbst zusammen, bspw. Akute-Phase Proteine und Gerinnungsfaktoren, welche bei einer Verletzung helfen, Krankheitserreger zu bekämpfen und die Wunde zu verschließen.
Aber auch in der Speicherung von Nährstoffen spielt die Leber eine große Rolle.
Selbst beim Pferd ist die Nahrungsaufnahme ja nicht konstant; selbst im Dauerfressbereich döst, schläft oder spielt das Pferd und nimmt in dieser Zeit nichts zu sich. Aber auch wenn es frisst, variiert die Nährstoffzusammensetzung von Heuballen zu Heuballen, Wiese zu Wiesen und Portion zu Portion. Um daraus eine gleichmäßige Versorgung an Energie und Baustoffen für den Körper zu gewährleisten, bereitet die Leber die Nährstoffe so auf, dass sie vom Körper gespeichert werden können – bspw. bei Fetten und Proteinen – oder speichert sie – wie im Falle von Zucker, Mineralstoffen und Vitamine – gleich selbst. So stehen immer genügend Reserven zur Verfügung, um den Zellen die benötigten Stoffe gleichmäßig zur Verfügung zu stellen und einen Vorrat für Zeiten magerer Kost zu haben. Es wäre schließlich fatal, wenn das Pferd nicht flüchten könnte, nur weil es in den letzen 2 Stunden nichts gefressen hat.
Schließlich stellt die Leber auch die notwendigen Boten- und Regelstoffe, Hormone und Enzyme her. So treibt die Leber quasi den Betrieb im Körper voran und hält ihn am Laufen.
Zusammengefasst ist die Leber also eine ganz wesentliche Schlüsselstelle zwischen den aufgenommenen Nährstoffen und ihrer (kontinuierlichen) Verteilung an die Körperzellen.
Wie kommt es zu einem Leber-Blut-Mangel?
Mangelhafte Nährstoffversorgung – aufgrund schlechter Fütterung oder Darmproblemen
Wird der Körper über eine längere Zeit unzureichend mit Nährstoffen versorgt – sei es durch mangelhafte Fütterung oder chronische Darmprobleme – kann die Leber dies eine Weile ausgleichen – aber irgendwann sind auch ihre Reserven erschöpft. Sie gerät in einen Mangel und schafft es nicht mehr, das Blut mit ausreichend Nährstoffen anzureichern.
Körperliche Überbeanspruchung
Die Leber ist das Leistungsorgan im Körper. Von sympathischen Nervenfasern – den Leistungsnerven – durchzogen und mit feinen Adrenalinsensoren ausgestattet, stellt sie im Fall des Falles innerhalb kürzester Zeit viel Blut und Energie bereit, damit der Körper Höchstleistungen erbringen kann. Gedacht ist das eigentlich für Notfälle wie Flucht oder Kampf; Situationen, in denen nicht an die Reserven für morgen gedacht wird.
Wird dieser Mechanismus allerdings regelmäßig beansprucht, bspw. durch hartes Training unter Angst und Stress oder Haltung in einer unruhigen, aggressiven Herde mit wenig Platz zum Ausweichen und ständigen Keilereien, muss die Leber ständig ihre Reserven mobilisieren.
Ohne Phasen der Regeneration – trainingsfreie Tage, ein ruhiger Rückzugsort zum Dösen und Schlafen – hat die Leber kaum Gelegenheit, ihre Speicher wieder aufzufüllen und sich um die Entsorgung von Abbauprodukten zu kümmern. Sie arbeitet nur in den Verbrauch hinein und es ist leicht vorstellbar, dass dies die Leber auf Dauer in einen Mangel führt.
Starker Blutverlust
Tatsächlicher Blutverlust, bspw. durch einen schweren Unfall oder eine schwere Geburt, kann die Leber auch in einen Mangel führen.
Schadstoffbelastung
Schließlich kann ein Leber-Blut-Mangel auch entstehen, wenn der Körper über längere Zeit einer latenten Giftstoffbelastung ausgesetzt ist. In diesem Fall ist die Leber so mit dem Entgiften beschäftigt, dass sie ihren anderen Aufgaben nur unzureichend nachkommen kann, sie gerät in einen Mangel.
Was könnt Ihr tun?
Unbedingt die Ursache abstellen, falls das noch nicht geschehen ist.
Auf hochwertiges und nährstoffreiches Futter achten – gilt natürlich nicht nur für Pferde mit Leber-Blut-Mangel. Gutes, schimmelfreies Heu und ein hochwertiges, angepasstes Mineralfutter sind die Grundlage plus viel frisches und saftiges Futter. Gut sind Rote Beete, Möhren, Petersilie und Beeren und natürlich die einschlägigen Lebermischungen. Dabei auf gute Qualität achten, denn Schadstoffe belasten die Leber zusätzlich!
Die Lösung chronischer Darmprobleme angehen. Auch hier bietet die TCM, kombiniert mit entsprechender Fütterung, unglaublich tolle Möglichkeiten, schon aufgegebene Fälle wieder in den Griff zu bekommen.
Im Training und in der Haltung Angst und Stress auf ein Minimum reduzieren.
Anstrengende, fordernde Aktivitäten einmal beiseite lassen und statt dessen für sanfte und entspannende Bewegung sorgen: Spazierengehen, Schritt-Ausritte, fliessende Bodenarbeit vorwiegend im Schritt. Große geschwungene Linien im Schritt reiten, dabei auf einen geschmeidigen Sitz und eine flüssige Atmung achten.
Der Fokus bei einem Tier mit Leber- Blut- Mangel liegt nicht Kräftigung, sondern auf der Wiedergewinnung von Geschmeidigkeit. Viel Bewegung an der frischen Luft, ohne Druck einfach umherstreifen. Die Leber mag freien Fluß, das erkläre ich ein anderes Mal 😉
Darauf achten, dass Euer Pferd auch in seiner Gruppe regelmäßig Phasen der Regeneration bekommt: kann es sich angstfrei hinlegen, dösen, hat es stressfreien Zugang zu Heu und Wasser?
Auch bei der Ausrüstung und der Stalleinrichtung auf möglichst wenig Weichmacher, Farbstoffe und Zusatzmittel achten.
Sanfte Massage der großen Muskeln (Rücken, Kruppe, Oberschenkel, vor allem innen).
Das löst Verklebungen im Gewebe und läßt die Gewebsflüssigkeit wieder leichter zirkulieren. Das macht es der Leber leichter, den Körper mit Nährstoffen zu versorgen.
Akupunktur und Meridianausgleich
Schließlich hilft Akupunktur oder ein Meridian-Ausgleich, die Leber aus ihrem Tief zu holen und sie bei ihrer Regeneration zu unterstützen.
Ohne die Abstellung der Ursachen, eine angepasste Fütterung, freundliche Haltung und faires Training, wird der Leber-Blut-Mangel nicht besser werden. Kombiniert mit fachkundiger Meridianbehandlung könnt Ihr die Besserung aber signifikant erleichtern und beschleunigen.
Bei einem ‚reinen‘ Leber- Blut- Mangel hilft eine Moxa-Behandlung sehr gut. Durch sie kann die Leber und alle blutbildenden Systeme mit einem kräftigen Energieschub versorgt werden.
Ist aus dem Leber-Blut-Mangel schon ein Leber- Yin Mangel geworden (jetzt wird es ein bisschen chinesisch), sollte auf Moxa verzichtet und nur mit dem Laser behandelt werden. Bei einem Leber-Yin-Mangel hat sich der Mangel schon so manifestiert, dass die Leber einem Motor ohne Schmierstoff ähnelt: Er läuft heiß und es besteht die Gefahr, dass sich etwas festfrisst. In dem Fall darf NICHT gemoxt werden, um nicht noch mehr Hitze ins Tier zu bringen.
Wenn Ihr Fragen zu diesem Thema habt oder nicht sicher seid, ob Euer Pferd vielleicht einen Leber-Blut-Mangel habt, meldet Euch gerne. Im Rahmen einer Beratung klären wir gemeinsam, wie Ihr Eurem Pferd konkret helfen könnt.
Quellen:
Grundlagen der Chinesischen Medizin, G. Maciocia, Elsevier, 3. Auflage, 2017.
Es lebe die Leber, J. Brater, Herbig, 2017.