Warum ist das Angaloppieren so schwer?
Angaloppieren ist gar nicht so einfach. Jedenfalls in der Art und Weise, wie wir es von unseren Pferden erwarten. Aus Schreck oder Übermut mit hohem Kopf und festem Rücken auf gerader Linie die Hufe in die Hand zu nehmen, kann jedes halbwegs gesunde Pferd. Aber mit langem Hals, gehobenem Widerrist, lockerem Rücken und vorgreifender Hinterhand ausbalanciert und getragen angaloppieren – und das womöglich noch auf einer gebogenen Linie – ist wirklich richtig schwer für ein Pferd.
Der Galopp ist für ein Pferd eine Flucht-, Spiel-, Imponier- oder Kampfgangart. Ein Pferd käme von selbst nicht im Traum darauf, zur Entspannung mal eine Runde, geschweige denn eine Volte, zu galoppieren. Der Galopp ist bei einem noch unausgebildeten Pferd mit einem relativ hohen Erregungsniveau verbunden. Und jetzt kommen wir und möchten ruhig und getragen angaloppieren.
Die ersten Galopp-Erfahrungen
Dazu kommt, dass für die meisten Pferde die ersten Galopp-Erfahrungen im Kontext Mensch-Training sehr stressbehaftet und unangenehm sind.
Ob ausgebunden an Trense und Longe, mit Knotenhalfter und Stick, mit Kappzaum und Peitsche oder frei im Roundpen werden sie in den Galopp gescheucht und unsanft auf eine Kreisbahn gezwungen.
Unwissend, was ein ruhiger Galopp im Kreis für ein Pferd bedeutet, soll es jetzt sofort richtig angaloppieren und das bitte auch in einigermaßen ordentlicher Haltung. Zögert es, weil es noch gar nicht weiß, wie es diese Aufgabe jetzt lösen kann, muss man es doch bitte unbedingt mal deutlicher vorwärts schicken.
Dass das ein unerfahrenes, noch nicht-ausbalanciertes Pferd unglaublich stresst, kann man sich leicht vorstellen.
Unter dem Sattel kommen häufig noch die Unsicherheit und Balanceprobleme des Reiters dazu. So geschmeidig und geschickt zu sitzen, dass man ein noch unerfahrenes, unausbalanciertes Pferd ruhig in den Galopp begleitet, ist schwer. Und unerfahren und unausbalanciert sind nicht nur junge Pferde.
Was können wir tun, um das Angaloppieren wieder leicht und freudig werden zu lassen?
Die Antwort ist – die Frage 🙂
Wir können unser Pferd einfach fragen, ob es schon angaloppieren kann. Wir sagen nicht ‚Du musst JETZT SOFORT angaloppieren‘, sondern fragen es freundlich ‚Kannst Du jetzt oder in den nächsten Schritten vielleicht kurz einmal anspringen?‘
Durch diese andere Formulierung schwindet unheimlich viel Stress. Das Pferd bekommt eine Wahl und Zeit. Es muss nicht sofort funktionieren und unsere Erwartungen sind viel weicher. Das Pferd hat Zeit, seine Beine zu sortieren, sich auszubalancieren, sich anzuspannen – und dann, wenn es bereit ist, galoppiert es an.Und nein, das dauert nicht 3 Runden, nicht einmal eine, sondern meistens nur 3, 4 Trabschritte. Die sollten uns die Ruhe und das Vertrauen unseres Pferdes wert sein. Mit zunehmender Routine und Koordination werden es rasch nur noch 2,3 Schritte und irgendwann vielleicht nur ein Schritt sein. Als Mensch bleiben wir in dieser Zeit in freundlicher, positiver Erwartung. Und Zuversicht, dass unser Pferd gerade alles versucht, unserer Frage nach zu kommen.
Angaloppieren am Kappzaum und unter dem Sattel
Am Kappzaum ist es dann ganz wichtig, weich und flexibel mit der Hand zu sein. Unser Pferd NICHT am Kappzaum auf eine Linie zu ziehen, sondern es zu Beginn einfach nur zu begleiten und versuchen, es mit Körpersprache in der Bahn zu halten. Ziehen wir am Kappzaum, also an seinem Kopf, bekommt die meisten Pferde sehr schnell Angst um ihr Gleichgewicht und werden sich verspannen, stolpern oder abwehren. Galoppiert anfangs nur kurz, dann atmet Ihr aus, pariert durch, stellt die Ruhe wieder her und stellt die Frage nach dem Galopp von Neuem.
Unter dem Sattel ist es oft sinnvoll, aus dem leichten Sitz oder dem Entlastungssitz anzugaloppieren. Durch die leichtere Verbindung zum Pferd vermeiden wir, zu Klemmen oder Treiben, und es fällt uns leichter, eine positive Körperspannung aufzubauen und so geschmeidig in der Bewegung mitzugehen.